Unser Sprachvermögen hat – so kann man glauben – nachgelassen. Das verbale Sprachvermögen. Das schriftliche auch, so der Eindruck. Zugenommen hat dagegen das elektronische als völlig neue Form. „lol“ war bis vor 10 Jahren völlig unbekannt. Als Harvey Ross Ball 1963 für einen Kunden den Smiley erfand, hatte der auch noch einen gelben Kreis, zwei Punkte und eine gebogene Linie. Niemand dachte daran, dass man diesen gelben Kreis durch Satzzeichen, die in Mitteleuropa üblich sind, ersetzen kann. Wir schaffen also gerade eine neue Form der Verständigung. Die per Chat. Und im Chat geht einfach alles elektronisch. Diese Einleitung ist notwendig um zu verstehen, was mir im vergangenen Jahr auf der Internorga in Hamburg passiert ist.
„Frage?“ Der solcherart angesprochene Besucher reagiert mit einem verständnislosen Gesichtsausdruck. „Frage dazu?“ Jetzt dämmert es ihm. Sein Gegenüber von der Firma X möchte wissen, ob er vielleicht zu dem Exponat vor dem er steht eine Frage hat. Und hier genau kollidieren verbale und digitale Ansprache. Der Standmitarbeiter wollte doch einfach nur ein Fragezeichen in das WhatsApp Eingabefenster schreiben, der offensichtlich kommunikativ rückständige Besucher jedoch verbal kommunizieren.
Es gibt da noch zwei Formen, die Sie kennen sollten und die auch ganz leicht zu verstehen sind, weil Probleme auf demselben Prinzip basieren. Ich rede von offener Kommunikation und geschlossener Kommunikation. Sie können auch von angenehmem Gespräch und Verhör sprechen. Die Ansprache läuft dann so: „Sind Sie aus der Branche?“ „Nein.“ Aus Sicht des Verkäufers ist jetzt das Verhör beendet, sein Besucher ja offenbar für ein Geschäft unqualifiziert. Diese rüde Taktik nutzte Wilhelm Bendow, ein berühmter deutscher Kabarettist der zwanziger Jahre, stets, um sein Gegenüber auf der Bühne zu informieren: „Nun, dann ist die Sache für mich erledigt!“ und trieb damit im komödiantischen Sinn seine Gesprächspartner zur Verzweiflung. Wahrscheinlich hat der Verkäufer normalerweise eine App auf seinem Smartphone zur Verfügung, die dem elektronischen Gesprächspartner das Voting per Click auf den grünen oder roten Smiley ermöglicht. Nun war er aber gezwungen zu sprechen und hat sich lediglich daran erinnert, dass er Besucher qualifizieren soll, bevor er lange mit Ihnen spricht.
Aber welcher Eindruck entsteht denn beim Besucher? Noch schlimmer: Welche Reaktion?
Ich bin ein großer Freund der schnellen Qualifizierung von Messebesuchern. Dafür ist aber eine einzelne Frage zu wenig und wenn diese eine Frage im Chat-Stil gestellt wird und sich dadurch auf ein Wort reduziert, ist sie schlicht ungehöriges Benehmen.
Spendieren Sie diesen Leuten ein Training – vor der Messe, sonst liegt hinterher zu viel Porzellan zerbrochen auf Ihrem Stand. Ansprechen geht noch, und ich bin sehr froh darüber – ohne Chat.
Viel Erfolg!